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Großväterland – über den Krieg im Kreativen und wie man Frieden mit sich macht

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Diesen Beitrag schiebe ich schon länger vor mir her. Weil er ein Bekenntnis beinhaltet, das irgendwie schmerzhaft ist. Aber auch befreiend. Eine Geschichte über Krieg – den wahren unserer Großvätern und den inneren im Kreativen – und wie einer davon dann doch noch gut ausgeht.

So geht das:

Ihr erinnert euch sicherlich an Großväterland, unser Graphic Novel-Projekt mit wahren Geschichten deutscher Veteranen des Zweiten Weltkriegs. Ende 2014 als Crowdfunding gestartet und dann im Herbst 2016 bei Panini erschienen – dem Verlag der auch die ganzen Marvel und DC-Sachen in Deutschland vertreibt. Klingt also erst einmal wie eine Erfolgeschichte. Also: Bis hierhin.

Zuallererst: Mein Bekenntnis

Aber nun erst einmal das erwähnte Bekenntnis und dann mehr dazu:

Ich war eine lange Zeit nicht sehr glücklich mit dem Ergebnis von Großväterland, wie ich es mir zu Anfang erhofft hatte. Es war immer mein Wunsch, eine Graphic Novel zu machen. Und nun, Ende 2016, hatte ich das erreicht und es fühlte sich anders an, als erwartet. Nicht wie die Erfüllung eines Traumes. Nüchterner. Eher wie ein kreatives Nullsummenspiel. Als wäre es irgendwie völlig gleichgültig, dass ich das gemacht und zwei Jahre meines kreativen Lebens drin versenkt hatte.

4 von 5 sind 80% … ist das schon Pareto?

Statistisch werden 4 von 5 Menschen an dieser Stelle die Stirn runzeln. Und eine/r wird sagen: „Siehste. Genau meine Meinung“. So kann man sich das jedenfalls vorstellen, wenn ich mir die Bewertung von Großväterland bei Amazon ansehe. 4 von 5 möglichen Sternen. Das ist schon sehr ordentlich bei insgesamt 14 Rezensionen. 80% Zustimmung.

Und dennoch fühlte es sich für mich ganz persönlich, dem Verantwortlichen hinter diesem Projekt, lange nicht an wie fünf Sterne, sondern wie … vielleicht 2,5.

Doch mit der Zeit fand ich heraus: Das lag an mir und nicht an diesen duseligen Sternen.

Mir war immer ganz klar, dass wir mit Großväterland etwas Wichtiges und inhaltlich sehr wertvolles erschaffen haben. Alleine die Idee und die Energie, die wir in die Umsetzung gesteckt haben, sollte mich mit Zufriedenheit erfüllen. Aber etwas anderes stand im Weg: Das Leben.

Spoiler: Das ging alles viel zu schnell und hatte zu wenig Zeit

Es war gut und richtig, Großväterland von Anfang an als Crowdfunding zu initiieren. Einfach, weil so ein Projekt eine solide finanzielle Basis benötigt und wir diese nicht aus unseren Mitteln generieren konnten. Das haben ungefähr 300 andere Menschen auch so gesehen und uns vorab nicht nur ihr Geld, sondern auch ihr Vertrauen geschenkt. Etwas, für das ich sehr, sehr, also: sehr dankbar bin.

Was sie uns aber auch „geschenkt“ haben, waren Erwartungen. Und die habe ich zuerst vollkommen unterschätzt und dann habe ich ihnen zuletzt nicht zu wenig, sondern viel zu viel Aufmerksamkeit gegeben. Um sie letztlich vermutlich zu enttäuschen.

Wir haben Großväterland innerhalb von gut zwei Jahren produziert. Inklusive Recherche der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, den Interviews in ganz Deutschland, der Arbeit an den historischen Hintergründen und letztlich dem Scripting und dem Artwork. Für letzteres haben wir uns gut ein Jahr Zeit gelassen. Wenn man neben diesen Aufgaben noch, wie ich, eine Agentur aufbaut und so etwas wie ein Leben führt, ist das insgesamt viel zu wenig Zeit.

Das nicht erkannt und von Beginn an konsequent in die Planung des Projektes integriert zu haben, werfe ich mir zu 100% vor. Christian – und auch zu Anfang noch Alex – nehme ich da aus der Verantwortung. Vor allem Christian hätte sich nicht mehr Zeit lassen dürfen. Die hatte er nicht. Ganz im Gegenteil. Sie lief ihm sogar davon. Denn leider sind mittlerweile einige der Menschen, deren Geschichten wir erzählen durften, verstorben.

„Schuld“ ist ein zu großes Wort, aber …

Konzentrieren wir uns bei diesem Ego-Rant also auf meine Aufgaben in dem Projekt: Die eigentliche Planung, das Scripting und das Artwork des Comics. Das waren meine Aufgaben. Nehmen wir vielleicht noch meine Erkenntnis aus dem Entschuldigungs-Artikel aus dem Herbst und die darin enthaltene Epiphany aus dem #alleineurlaub hinzu muss ich ganz klar sagen:

Ich hätte viel mehr gekonnt. Ich habe mich hier – und vor allem im Artwork – von zu niedrigen Maßstäben verleiten lassen. Einfach, um fertig zu werden. Um dem Drängen einiger Ungeduldiger zu entkommen. Dass wir selbst unruhig waren und schon sehr früh einen Vertragsdeal abschließen mussten, als noch nicht einmal alles gescripted war, hat es nicht leichter gemacht. Auch dieser tolle Abschluss hätte gut und vernünftig nach Fertigstellung erfolgen können.

Eine weitere Erkenntnis bzgl. des Artworks, die ich aufgrund von ONE. hatte, in dessen Verlauf ich mehrere Arbeitsweisen ausprobiert habe:

Technisch hätte ich Großväterland anders angehen müssen. Meine digitale Illustrations-Experimentier-Phase mit dem Grafiktablett fiel genau in die Umsetzung von Großväterland. Mehr Bleistift und Analoges wäre nicht nur mir, sondern dem Thema und damit letztlich auch der Qualität zuträglich gewesen. Dies analoge ist einfach viel mehr meins. Das zeigt sich auch an meiner aktuellen Phase im Akt-Zeichnen. Die ist deshalb auch ein wenig „Exorzismus“. Das digitale Zeichnen, das bei ONE. zumindest noch in der Kolorierung stattfand, muss einmal ganz raus, bevor ich es vielleicht wieder gewinnbringend einbauen kann.

Willkommen in meinem Krieg – und Frieden

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Alle diese Einsichten überraschen euch vielleicht, sind für mich aber nicht neu. Die beschäftigen mich seit Monaten in dieser Form. Eigentlich habe ich das sogar schon gefühlt, als ich im Herbst 2016 die Crowdfunding-Edition in den Druck gab und damit erst einmal abschließen konnte.

Mit diesem Blick auf das Geleistete und diesen Gedanken darüber, habe ich dann Großväterland für Monate gemieden so gut es ging. Den Fokus verschoben auf andere Dinge.

Irgendwann jedoch habe ich es mir doch noch einmal angeschaut. Erst nebenher, als jemand in meiner Anwesehenheit durchblätterte und zu meiner Überraschung offensichtlich begeistert war. Später habe ich es mit dann mit Abstand und neutralem Blick selbst noch einmal angesehen. Und war dann doch irgendwie auch selbst sehr zufrieden. Nicht euphorisch. Nicht überglücklich. Aber doch: Sehr zufrieden. Auch, weil ich ja um diese ganzen Parameter und Voraussetzungen weiß, untern denen es entstanden ist. Überhaupt ist das wichtig bei jeglicher Betrachtung von Kreativem: Das man um die Umstände weiß, in denen es erdacht und entstanden ist.

Die Lehre daraus: Deine Arbeit ist mehr als nur das Ergebnis im Bücherregal der anderen.

Lange habe ich überlegt, was der Takeaway aus dieser Erfahrung ist. Wenn ich das alles was rund um die Entstehung von Großväterland passiert ist, in einem Fazit zusammenfassen sollte. Einer Erkenntnis, die auch anderen Kreativen auf deren Wegen helfen kann, ist es das hier:

Fazit

Jede Kreative Arbeit lässt sich nicht nur an Hand des eigentlichen Ergebnisses beurteilen. Das ist nur das, was zum jeweiligen Zeitpunkt am Ende einer kurzen Etappe steht. Wichtig für uns Kreative ist es, den gesamten Prozess alles kreativen Ausdrucks achtsam und aufmerksam zu verfolgen. An kritischen Punkten, wenn es wie hier beschrieben mal hakt, Entscheidungen zu treffen. Einige spontan, aus dem Flow heraus. Andere zurückgelehnt, mit Bedacht und Rücksicht. Die Resultate immer wieder neu zu beurteilen und im Kontext aller anderen Resultate zu sehen.

Denn jedes einzelne Werk ist immer auch nur ein Meilenstein auf eurem Weg hin zum Lebenswerk. Ja, ohne Anführungsstriche. Darum geht es, um ein Lebenswerk. Jedes Buch, jeder Song, jedes Bild ist immer nur ein Strich im Gesamten. Wenn dann an diesen Wegpunkten das vollständige Bild deines kreativen Schaffens für den Moment erst einmal stimmig ist, ist mehr richtig gelaufen als falsch.

Und genau dies ist meine Erkenntnis aus der Geschichte, in der Großväterland entstanden ist:

Im Rahmen all dieser Voraussetzungen ist es dann doch 4 Sterne wert. Niemals fünf. Aber drei ist dann auch irgendwie zu wenig. In der Summe aller Puzzleteile aus denen dieses Werk besteht. So fühlt sich Großväterland gute 18 Monate nach Fertigstellung für mich an. Auch, weil die Idee an sich so richtig war und die Arbeit von Christian so exzellent ist.

Um eine Redewendung des Bielefelder Digital-Philosophen Benjamin Birkenhake zu gebrauchen: Ein Welt mit Großväterland ist allemal besser als eine Welt ohne Großväterland.

Mit zuerst dem Zauberspruch für Verwundete und dann mit Großväterland (beides zu finden unter „Bücher/CDs“) habe ich mir meinen Jugendtraum erfüllt und sogar gleich zwei Graphic Novels veröffentlicht. Und ONE. ist zwar keine solche, aber doch ein Comic-Projekt – und eines, mit dem ich mich zu 100% identifiziere. Das „Comic machen“ kann ich also guten Gewissens von meiner kreativen Bucket Liste streichen. Gleich drei mal.

Dem kreativen Shellshock so gerade noch entkommen

Heute weiß ich nicht, wohin mich meine kreative Reise als nächstes führen wird. Ich habe eine Ahnung und Brave Nude World ist ein erster Schritt in diese Richtung. Ob ich jemals wieder an so etwas wie eine Graphic Novel arbeiten werde, weiß ich nicht. Kann sein. Bis dahin genieße ich jedoch den Frieden und freue mich, diesen kurzen heftigen Kampf dann doch einigermaßen heil überstanden zu haben.

Am Ende bleibt die Stille.

Großväterland – erhältlich bei allen Buchhändlern

Deutschsprachige Version

Wenn Du Lust hast, dieses für mich so wichtige Buch zu lesen, gehe zum Buchhändler Deines Vertrauens und bestelle es dort. Es ist als Hardcover im Panini-Verlag erschienen. Okay, natürlich gibt es das Buch auch bei Amazon.

Englische Version

Es gibt auch eine digitale englischsprachige Version für den Kindle. Die gibt es exklusiv ausschließlich bei Amazon.

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